„Und eines Tages begab es sich, dass der Eisklotz, oder besser gesagt die Eisklötzin (wie ja bereits in einschlägigen Vorartikeln erläutert) auf ihresgleichen traf. Eisklötzin traf auf Eisklotz. Gegenseitig schmolzen sie ihren Kern aus Eis und wurden glücklich bis an ihr Lebensende… oder eben auch nicht.“
Also ganz von vorne. Aus flüchtigem Bekannten (alias Eisklotz) wird ein interessanter Mann. Aus interessantem Mann wird sexuelle Anziehungskraft. Aus sexueller Anziehungskraft wird…eine Affäre. Anfangs noch unausgesprochen, später auch ausgesprochen, war klar: Sie wollten beide nur Sex. Es war so einfach. So anziehend. Und so reizvoll. Diese Heimlichtuerei, nein, besser: Diskretion. Dieser Nachrichtenverkehr, im wahrsten Sinne. Diese simplen Verabredungen – nur für Sex.
Ein paar Monate lief es ganz wunderbar. Es war genau das, was sie brauchte. Er war ihr sympathisch. Er gab ihr das Gefühl, sexuell begehrenswert zu sein. Er ermöglichte es, auf ihre singlebedingte Abstinenz verzichten zu können. Und er bestätigte, warum ONS keine Option für sie sind: Je besser man aufeinander abgestimmt ist, desto besser der Sex. Ihre Kommunikation war erstrebenswert: Noch mehr als viele Paare (soweit ich es beurteilen kann) sprachen sie über Vorlieben und No-Go's, über Dinge, die sie mal ausprobieren oder unbedingt wiederholen wollten. Mal taten sie es die ganze Nacht, mal trafen sie sich nur auf einen Quickie. Wieder ein anderes Mal hatte er die Ehre nur mit ihrem Mund… Aber eines blieb sicher verschlossen: ihr Herz.
Es war alles so zwanglos. Sie gestanden sich gegenseitig sämtliche Freiheiten ein, die einem die meisten Beziehungen wohl verbieten. Kein Rechenschaftleisten, kein ständiger Kontakt…Sie fand es nicht schlimm, dass er noch mit anderen Frauen schlief. Er hätte es ihr wohl auch eingestanden, jedoch stand ihr wenig der Sinn danach. Dates – ja. Vögeln? – nein.
Warum nun stehen meine Zeilen über diese „Traumaffäre“ in der Vergangenheit? Wenn zwei Eisklötze aufeinanderprallen, dann kann das mächtig wehtun. Und aus Angst vor genau diesem Schmerz ist die Eisklötzin (mal wieder) weggelaufen. Was soll ich sagen? Sie hat in dieser Affäre tatsächlich einen Segen gesehen (guter Sex, keine Verpflichtungen, keine Emotionen…) und wollte sie ebenso für eine Flucht nutzen. Für eine Flucht vor der Tatsache, dass sie sich händeringend gegen alle Gefühle wehrt. Sie hat nicht ansatzweise zugelassen, ihm auch nur ein Stück Eintritt in ihr Leben zu gewähren. Ihr Bett war okay. Ihre Gefühle? Bloß nicht. Das hat ihn mehr und mehr mitgenommen. Er hat gelegentlich versucht, sie (ihre Persönlichkeit) kennenzulernen. Etwas über sie zu erfahren. Mit ihr zu reden. Über irgendwas. Mit ihr zu lachen. Je mehr sie das bemerkte, desto abweisender wurde sie. Und das nicht, weil es sie störte oder gar nervte. Im Gegenteil. Es gefiel ihr. Sie fing an, ihn zu mögen. Sie erwischte sich bei der Vorstellung, wie sie etwas anderes taten, außer es zu tun…
„Und dann nahm die Eisklötzin all ihren Mut zusammen und gestand ihm die Option auf ein „Mehr“. Nicht gleich eine Beziehung, nicht gleich die große Liebe. Vielleicht ein Neuanfang. Ein richtiges Sich-Kennen-Lernen. Und der Eisklotz nahm ihre Hand und küsste sie zum ersten Mal voller Emotionen und voller Gefühl… Nein, sie tat es nicht. Sie beendete die Geschichte, bevor es zu spät war. Bevor sie die Kontrolle verlor. Sie war feige. Mal wieder.“
Auch wenn es jetzt schon eine Weile her ist und wahrscheinlich schon zu spät: Es tut mir leid. Erst der Segen. Dann die Flucht.
Foto: Stefan Franke / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc-nd)