now & then

Früher dachte ich immer, ich sei mit 26 schon längst verheiratet oder lebe zumindest mit meinem langjährigen Partner zusammen und ein Kind wäre entweder in Planung oder bereits vorhanden. Schließlich war meine Mutti mit 21 schon mit meinem Vater verheiratet und ein paar Jahre später bin ich schon geschlüpft (bzw. geschlüpft worden. wollte halt immer mitlaufen, über Kopf im Fruchtwasser rumschwimmen fand ich albern.)

Okay, klar. Zeiten ändern sich. Früher haben die meisten eine Ausbildung gemacht, danach blieb man in dem Vertrieb und *schwupps* konnte man auch direkt eine Familie gründen. Heutzutage will jeder Abi machen, danach ein Jahr als Aupair in die USA oder work and travel, dann studiert man irgendwas-mit-Medien auf Bachelor, im Anschluss den Master, den verlängert man dann noch, um ein Auslandssemester zu machen und ehe man sich versieht, jagt man von Praktikum zu Praktikum, um möglichst viel Erfahrung zu sammeln. Klar: Man muss ja als Berufseinsteiger jung sein, höchstqualifiziert in allen Bereichen, Auslandserfahrung haben und mit einem pinken Pony zur Arbeit kommen. Merkste selber, ne? Und ehe man sich versieht, ist man Mitte 30 und fragt sich „Hö? Wo ist die Zeit geblieben?“

In der heutigen schnelllebigen Gesellschaft, in der alle Karriere machen müssen, um wer zu sein und wo ein Hauptschulabschluss praktisch nichts mehr wert ist, ist zwischendrin der sogenannte #hipster gewachsen, der sich aus all dem wieder rausschaufeln, frei sein und sich selbst verwirklichen will. Man besinnt sich wieder der alten Werte, kramt Muttis Blusen und Vadders seine Hüte raus und macht die Spießigkeit wieder modern.

Wie passt denn das zusammen? Freiheit und Spießigkeit? Ganz einfach: In einer Welt der permanenten Erreichbarkeit und einem digitalen Geschwader fühlt man sich bombardiert und hilflos ausgesetzt. Man ist dauerhaften Treffern ausgesetzt und kann sich nicht dagegen wehren. Der Gesprächspartner weiß, man ist erreichbar. Vorbei die entspannten Zeiten, in denen man sagen konnte „Oh, entschuldige, ich war nicht Zuhause als du angerufen hast!“ oder „Ich konnte nicht zurückrufen, mein Guthaben war leer.“ Nein, man hat sein Smartphone. Man ist über alle Plattformen ständig verfügbar und spürt den Druck, sich auch immer melden zu müssen und Zeit zu haben oder eine Ausrede zu finden, die logisch klingt à la „Äh… Akku leer und äh… Empfang… boooah… ganz schlecht!“ Das ist gar nicht so Smart das ist eher ein Blödphone. Der Druck steigt.

Um sich aus dieser digitalen Welt freizuschaufeln, schuf man sich eine „neue Welt“. Denn es reicht nicht einfach nur wieder ein normales Handy oder kein Facebook zu haben – wodurch man bereits super schräg angeschaut wird. Nein, das Ganze muss eine Lebenseinstellung werden. Man lebt nicht mehr komplett für die Arbeit, sondern protestiert für den Veggieday und hätte am liebsten googleesk Fitness und Wellness am Arbeitsplatz. Freizeit und Familie rückt wieder in den Vordergrund – Arbeiten um zu Leben und nicht Leben um zu Arbeiten. Man muss nicht mehr jemand sein im Arbeitsleben, man muss jemand sein im Privatleben: Ein guter Mensch, ein guter Freund, ein guter Vater, ein guter Partner.

Demzufolge habe ich Hoffnung. Hoffnung, dass mit diesen alten Werten – die zwar alt, aber nicht veraltet sind – auch die Liebe wieder wertvoller wird. Vorbei die Schnelllebigkeit, vorbei die Zeit der Lebensabschnittsgefährten und „mein aktueller Freund“ hin zu „mein Mann, mein Partner, mein Weggefährte“. Raus aus der Wegwerfgesellschaft, hinein in eine Zeit, in der man wieder an Beziehungen arbeitet, statt in die nächste zu flüchten.

Tüddelü.
Eure Tänne 

Foto: Lena Sch." / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)

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