SMS für Mich

Lässt man meine dreijährige Grundschulbeziehung und meine heiße Liebesbeziehung in der fünften Klasse außer Acht, ist es nun knappe zehn Jahre her, dass ich meine aktive Datingkarriere gestartet habe. Nicht nur mein Männergeschmack hat sich seitdem in extremster Form geändert, auch die Art zu kommunizieren ist eine völlig andere geworden. Ich hatte damals noch ein Prepaidhandy. Jede verschickte SMS war gut durchdacht, weil sie anfangs noch jedes Mal 19 Cent kostete. Deshalb ließ mich auch das Nachrichtensignal meines NOKIA 3310 jedes Mal aufgeregt zusammenzucken. SMS waren noch etwas Seltenes, etwas Besonderes und wenn sie eines nicht taten, dann das: Sie gingen mir nicht auf die Nerven.

Mittlerweile hat sich auch das geändert. So gut wie jeder hat ein Smartphone, 1000 Flatrates und es erfordert keinen Blick auf den Prepaidkontostand oder die Rechnung des Handyvertrags mehr, um sich für oder gegen das Verschicken einer Nachricht zu entscheiden. Ja, auf der einen Seite ist das toll. Man kann ständig in Kontakt stehen, sich nur kurz nach dem Wohlbefinden des Anderen erkundigen, sich ein paar kitschige Ich-vermiss-Dich-Nachrichten schicken usw. Aber mir fallen auch unmittelbar zwei Beispiele aus jüngster Zeit ein, bei denen mir das ständige Geschreibe so sehr auf die Nerven ging, dass ich gar kein Interesse mehr hatte, das Gegenüber auf der anderen Seite der Leitung kennenzulernen.

Wenn man viel miteinander schreibt, bevor man überhaupt eine richtige Verabredung hatte, ist das gefährlich. Zumindest bei mir. Ich finde es schwierig, den Ton einer Nachricht einzuschätzen, wenn man noch nichtmal ein richtiges Gespräch geführt hat. Und auch wenn ja eigentlich wir Frauen als Heldinnen des "Zu viel schreiben" gelten, kommt dieses Phänomen auch in der Männerwelt vor. So schrieb ich also vor nicht allzu langer Zeit mit einem netten jungen Mann, der dazu noch optisch in mein Schema zu passen schien. Ob das auch wirklich auf alle Bereiche seines Körpers zutreffen sollte, versuchte er mir sogleich zu zeigen, indem er mir nach einem Tag virtuellen Kontakts unaufgefordert ein Foto seines Schwanzes schickte. Genau genommen war es nicht nur unaufgefordert, sondern ungewollt. Er kündigte diese Handlung an, ich lehnte sie ab, er tat es trotzdem. Danach war ich eigentlich gewillt, die ganze Sache sofort zu beenden. Aber irgendeine Stimme in meinem Kopf (es war außerdem schon spät und ich war müde) sagte mir, dass ich ihn nicht allein anhand seiner WhatsApp-Präsenz beurteilen sollte. Und so schrieb ich weiter mit ihm, fühlte mich teilweise wirklich gut unterhalten und war gewillt, ihn zumindest kennenzulernen. Dieser Wille wich schnell einem Ausreden finden, warum ich so oft keine Zeit hatte. Warum das so war? Der gute Mann ließ mir keine Luft mehr zum Atmen, obgleich wir uns gar nicht wirklich kannten. Zweimal nur hatten wir uns kurz durch Zufall gesehen. Unsere Gespräche überschritten dabei noch nichtmals die fünf Minuten. Er schrieb mir stets und ständig wie toll er mich fände, erzählte mir Dinge aus seinem Leben, die ich gerade mal so meinen engsten Freunden anvertraue und wurde besitzergreifend, noch ehe ein einziges Treffen zu Stande kam. Warum nur zur Hölle?

Ein anderer Kerl, schon weit über 30, neigte dazu, mir in seinen Nachrichten sein komplettes Leben zu offenbaren. Er erzählte mir ALLES. Hobbys, Ex-Beziehungen, sexuelle Vorlieben, Berufsleben, Freundeskreis, ich wusste über alles Bescheid. Glaubte ich vorher noch, ich sei gut in romanartigen Nachrichten, so wurde ich durch ihn eines besseren belehrt. Nicht nur, dass ich die ganze Zeit Panik hatte, keine Gesprächsthemen mehr bei einem Treffen zu haben. Ich teilte auch bei weitem nicht alle Ansichten und Interessen, die er mir in seinen Nachrichten offenbarte. Und ich bin davon überzeugt, dass solche Differenzen bei einem Treffen durch Sympathie ausgeglichen werden können. So war ich aber von vornherein abgeschreckt und ging alles andere als unvoreingenommen in dieses Treffen (immerhin kam hier ein Treffen zu Stande). Und was soll ich sagen? Ich fand den Mann optisch ansprechend und auch wirklich nicht unsympathisch, aber da ich einfach zu viel wusste, war mein Interesse irgendwie verflogen.

Ich gebe zu, es ist nicht einfach mit uns Frauen. Wir wollen Aufmerksamkeit und wir wollen hören, wie toll wir sind, aber zu viel ist dann auch wieder nicht gut. Auch ich freue mich über Interesse des anderen Geschlechts, aber ständiger Kontakt und unaufgefordertes Melden schrecken mich ab. Der Mann mit dem Schwanzfoto (bitte, liebe Männer: Wenn wir sagen, wir möchten kein Foto eures Gemächts, zumindest noch nicht, dann meinen wir das auch genauso!) fing irgendwann an, mir innerhalb einer Stunde zehn Mal zu schreiben, wenn ich mal nicht schrieb. Und je öfter er das tat, desto weniger oft schrieb ich zurück. Vielleicht liegt es daran, dass ich so lange Single bin, aber ich fühle mich sehr schnell eingeengt. Und dann sehne ich mich zurück nach der Zeit, in der SMS noch 19 Cent kosteten und jede Nachricht etwas ganz Besonderes war.

Was den Schwanzmann angeht – ich habe ihn nicht getroffen. Wer schon nach drei Tagen schriftlichen Kontakts eifersüchtig fragt, mit wem ich Zeit verbringe, wird mich wohl nach drei Monaten einsperren wollen. Und meine Menschenkenntnis trügte nicht. Als Dank für meinen Korb erhielt ich ausfallende Beleidigungen. Da bleibe ich doch lieber in Freiheit mit mir selbst. Bis derjenige kommt, der mich wirklich mit Nachrichten bombardieren darf.

Foto via kaboompics.com (CC0)

2 Comments

  • August 7, 2015

    Katrin

    Ich hab mal mit einem Typen geschrieben, der plötzlich aus heiterem Himmel mit Sexting anfing. Ich stand grad im Badezimmer und hab mir die Haare geglättet – meinen entsetzten Gesichtsausdruck habe ich also live im Spiegel gesehen :D Im Nachhinein war es witzig, in dem Moment ein totaler Turn-Off! (Gott sei Dank hat ers bei Nachrichten belassen und mir kein Schwanz-Foto geschickt)