Fremdgehen: Die böse Dritte

Die böse Dritte. Wenn Menschen fremdgehen, dann gibt es auch immer eine dritte Perspektive. Die andere Sie, mit der Er Sie betrügt. Was bewegt eine Frau dazu, sich wissentlich auf einen vergebenen Mann einzulassen? Die andere Sie sagt es uns. Ein Erfahrungsbericht.

 

Sie ist jung. Anfang 20. Sie ist Single und die meiste Zeit genießt sie es. Aber wie fast alle Frauen Anfang 20 träumt auch sie von der großen Liebe. Irgendwann mal. Vielleicht nicht gerade jetzt. Sie hat durchs Studium und ihren Job viel mit Menschen zu tun und lernt viele Menschen kennen. Sie genießt die Aufmerksamkeit, die sie dadurch bekommt und sie liebt es, hier und da einem netten Typen den Kopf zu verdrehen. Dann kommt er. Er ist kein "netter Typ" mehr. Er ist ein Mann. Er ist älter. Erfahren. Und attraktiv. "Einfach heiß", so nennt sie es. Es prickelt von Anfang an zwischen ihnen. Und ER ist derjenige, der sie anspricht. Er macht den ersten Schritt. Aber er ist entwaffnend ehrlich – "ich habe eine Freundin. Es geht nicht…" "Es"? Beiden ist unausgesprochen klar, es geht nur darum. Es geht nur um das "Es". Es geht nur um den Sex. Es geht nur um die Begierde. Keine Emotionen, kein Stress, keine Verpflichtungen. Aber es gibt noch eine Sie in seinem Leben. An seiner Seite. Es darf nicht gehen.

Er ist auch derjenige, der das als erstes ausblendet. Sie kämpft mit sich und ihrer Moral. Aber auch mit ihrer Lust. Seine Begierde und seine Hartnäckigkeit lassen sie schwach werden. Irgendwann ist ihr Verlangen größer als ihre Einwände. Ist er nicht der schlechte Mensch? Er hintergeht die Frau, die ihn liebt. Und die er liebt. Er liebt sie wirklich, sagt er. Aber er kann sich der anderen Frau nicht entziehen. Sein Verlangen ist größer als seine Skrupel. Es schmeichelt ihr, dass ein älterer Mann sie so sehr begehrt. Es schmeichelt ihm, dass eine so junge Frau ihn so begehrt. Sie vergessen ihre Einwände. Nur für den Moment. Nur um "Es" zu tun. Am Anfang noch das schlechte Gewissen. Aber das verblasst…

Ist sie ein schlechter Mensch? Sie selbst ist treu. Sie selbst liebt bedingungslos oder gar nicht. Sie würde niemals einen Menschen hintergehen. Aber trotzdem sieht sie sich als schlechten Menschen. Hätte sie seine Freundin gekannt, niemals wäre sie schwach geworden. Was war es? Sie zögert jetzt, es sei schwer, ehrlich zu sein, sagt sie. Nichtmal zu sich selbst konnte sie anfangs ehrlich sein. Es war purer Egoismus. Ja, sogar ein erhabenes Gefühl – ein solcher Mann belügt seine langjährige Freundin für sie. Er stellt sein Verlangen nach ihr über alles. Es ist verboten, ja sogar erbärmlich. Sie verachtet solche Männer. Und auch solche Frauen. Sie ist selbst erschrocken darüber, wie egal ihr das alles ist. Seine Sie verdient so etwas nicht. Sie belügt sich selbst: "Er ist der schlechte Mensch…"

Seine Sie hat es rausbekommen. Sie hat ihm verziehen. Mehr oder weniger. Und jetzt? Sie begegnen sich manchmal. Sie haben manchmal auch noch Kontakt. Wenig Reue. Wenig schlechtes Gewissen. Sie weiß bis heute dieses Verlangen und diese Anziehungskraft nicht zu deuten. Es flaut nicht ab und wird nicht weniger. Je mehr Verbot, desto mehr Begierde. Würde sie es wieder tun? Sie zögert erneut, holt tief Luft.  Ihre Antwort ist verwerflich, sie weiß es selbst…Sie würde. Mit diesem Mann würde sie jeder Zeit jede Moral vergessen. Und das ohne jede Emotion.

Foto: Marie Fleur Borger / www.jugendfotos.de

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