Wir dachten, gemeinsam könnten wir alles schaffen. Es gab kein dich und kein mich, es gab immer nur ein Uns. Vor dir und mit dir war ich immer ich selbst, auch in Lebensphasen, in denen man absolut gar nicht weiß, wer man eigentlich ist. Bei dir konnte ich mich in den Schlaf weinen, in den Schlaf lachen oder gar nicht schlafen. Du warst quasi immer an meiner Seite. Du warst meine beste Freundin. Wir haben uns ewige Freundschaft geschworen und aneinander geglaubt und uns unterstützt. Wir waren nicht nur Freunde, wir waren irgendwann auch Familie.
Doch irgendwann hat sich alles verändert, irgendwann haben wir uns verändert, irgendwann hat sich unsere Freundschaft verändert. Sicher, ich bin ein anderer Mensch als früher. Du bist es sehr wahrscheinlich auch. Und ich frage mich so oft, was falsch gelaufen ist. Ich hätte gewettet, dass wir uns für die Ewigkeit haben. Dass so eine Freundschaft quasi einfach da ist und nie mehr verschwindet. Ich war mir mit uns so sicher, wie man sich einer Sache nur sicher sein kann. Vielleicht zu sicher.
Ich frage mich häufig, was schief gelaufen ist. Was ich falsch gemacht habe. Aus deiner Sicht. War es zu viel, was ich gegeben habe oder war es zu wenig? Ich kenne nur meine Sicht. Ich hab versucht, dich danach zu fragen, aber ich bekam nie eine Antwort. Vielleicht hast du nicht gemerkt, was für ein Versuch es war. Vielleicht hast du genau das Gleiche gedacht aus umgekehrter Perspektive. Ich frage mich, ob ich dir irgendwas Schlimmes angetan habe, ohne es gemerkt zu haben. Oder ob du mich einfach nicht mehr magst. Ob du die Freundin von früher suchst, die es aber nicht mehr gibt. Mein Gott, wir alle verändern uns doch. Und es gibt doch noch andere Freundinnen an meiner Seite, die mich auch schon Jahrzehnte lieben.
Wir haben beide einen neuen Freundeskreis. Einen völlig anderen. Und auch nach nun fast mehrjähriger Funkstille, manchmal, immer seltener, fehlst du in diesem Kreis. So als würde ich unbewusst immer diesen einen Platz frei halten und hoffen, dass du ihn irgendwann wieder besetzt. Dabei weiß ich, dass das wohl nie wieder funktionieren würde. Obwohl nie wirklich etwas passiert ist, ist irgendwie doch zu viel passiert.
Du hast mir oft das Gefühl gegeben, dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss. Nur niemals wofür. Und ich frage mich, ob ich dir auch so ein schlechtes Gefühl gegeben habe. Ob du dich bewusst distanziert hast, um mir wehzutun. Oder ob ich diejenige war, die sich distanziert hat, ohne es zu merken. Irgendwann habe ich mich nicht mehr getraut, noch einmal nachzufragen. Gegenseitige Schuldzuweisungen hätten uns beiden nicht geholfen. Dir nicht und mir nicht.
Du bist Teil meiner kompletten Vergangenheit. In jeder Erinnerung spielst du irgendwie eine Rolle. Aber du bist nicht mehr Teil meines Lebens und das tut immer mal wieder noch weh. Du bist immer weniger präsent in meiner Gedankenwelt, der Schmerz darüber, dass wir gescheitert sind, verblasst. Aber niemals wird die Erinnerung an unsere Freundschaft verblassen. Ich werde noch häufig nach dir gefragt. Meine Familie, alte Freunde, sie fragen, wo du bist. Wo du hin bist, verschwunden aus meinen Erzählungen, in denen du so lange immer vorkamst.
Irgendwie haben wir beide versagt. Und es fällt mir immer wieder schwer, zu greifen und zu verstehen, dass nicht einmal die sicherste und engste Freundschaft eine Garantie hat. Das Gefühl, nicht mehr gut genug zu sein, das Gefühl, dass du mich vielleicht nicht mehr magst… Zu akzeptieren, dass eine Freundschaft zu Ende ist und wohl auch niemals wieder beginnen wird…
Sollte es dir nicht bewusst sein, dann ja vielleicht jetzt – du fehlst mir noch immer. Und manchmal, ganz selten nur noch, zermürbt mich dieser Gedanke, was da passiert ist. Mit dir. Mit mir. Mit uns. Ich hoffe, es geht dir gut. Vielleicht sind wir beide einfach nur zu feige und stolz.
Bild: Maria Amelie / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz (by-nc)